Aus dem Vorwort von Duygu Agâl:
Dan Thy Nguyens Gedichtband Über Wasser und Tote unternimmt den Versuch eine neue Form des Humanismus zu kreieren, in dem man sich der eigenen Hassverbreitung, genährt von Tod, Flucht und Traumata, entledigen kann. Dinge, die den Menschen vor Ankunft in Deutschland als unmöglich besitzbar oder für luxuriös erschienen, sind Ihnen nun nicht genug. Nguyen versucht die ambivalenten Gefühle von Wut und Trauer, die dabei entstehen, aber auch ihre Gültigkeit und ihr Ablaufdatum zuzulassen. Er spricht von einem Recht zu vergessen.
An den Hamburger Landungsbrücken
hat jemand
ein bronzenes Buch aufgeschlagen.
Ganz unscheinbar
steht es da
und sehnt sich danach
gesehen zu werden.
Eine Touristengruppe mit Fischbrötchen
schreitet vorbei.
Möwen jagen
einem Fischkutter hinterher.
An den Landungsbrücken
hat jemand
ein bronzenes Buch aufgeschlagen,
das erinnert an hunderttausende Überlebende
aus Vietnam.
Dan Thy Nguyen
ist freier Theaterregisseur, Schauspieler, Schriftsteller und Sänger in Hamburg. Er arbeitete an diversen Produktionen u.a. In Ballhaus Naunynstraße, auf Kampnagel, dem Mousonturm Frankfurt, dem MDR und an der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. 2014 entwickelte und produzierte er das Theaterstück Sonnenblumenhaus über das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen, welches 2015 in seiner Hörspielversion die Hörnixe gewonnen hat und bis heute noch an diversen Institutionen gespielt wird. Seit 2020 leitet er mit seiner Produktionsfirma Studio Marshmallow das Hamburger Festival fluctoplasma - 96h Kunst Diskurs Diversität und er ist stellvertretender Vorstand der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg. 2021 erhielt er zusammen mit dem Gesamtensemble den Deutschen Hörspielpreis für seine schauspielerische Leistung.